Hunde und der ÖPNV
Posted on 10.08.2025 in ÖPNV
Der folgende Beitrag soll eine zeitliche Übersicht über meine Motivation und den Ablauf der Hundemitnahme im deutschen ÖPNV im Kontext des D-Tickets zeigen.
07-2023 -- Die Zeit im KVV
Seit dem Sommer 2023 besitze ich meinen ersten Hund namens Bonsai. Er ist ein Tierschutzhund aus Rumänien, dem ich hier eine neue Heimat geben wollte.

Baby-Bonsai
Dafür war ich bereit einiges in Kauf zu nehmen und auch zu finanzieren: Hundesteuer, Transport, Verpflegung, Arzt etc. Alles, nur damit dieses kleine Lebewesen endlich ein Dach über dem Kopf hat.
Da es sich um meinen ersten Hund gehandelt hat - als Kind besaßen wir nur Katzen - habe ich mich um viele Themen gesorgt; wie geht es ihm, welche Versicherungen braucht er, was muss ich ihm füttern. Nur eins hatte ich nicht im Kopf: wie transportiere ich ihn?
Als ÖPNV-Enthusiast und Radfahrer ist das gar nicht so einfach. Mit seinen 17 KG ist er nicht so einfach auf dem Fahrrad mitzunehmen, doch dafür gibt es Lösungen: Anhänger, Körbe oder einfach laufen. Zum nächsten Bahnhof waren es damals 35 Minuten zu Fuß. Das ist ja noch machbar und man hat die Gassi-Runde schon hinter sich.
Während meines Master-Studiums lebte ich in Karlsruhe, wo der Karlsruher Verkehrsverbund (KVV) das Sagen hatte. Der recht fortschrittliche Verbund hat auf seiner Website den folgenden Satz stehen:
Inhaber*innen einer Zeitkarte (Monats-, Jahres- oder Halbjahreskarte) oder Tageskarte ist es gestattet, einen Hund je Fahrkarte kostenlos mitzunehmen.
Auf Nachfrage kriege ich bestätigt: Ein Deutschlandticket zählt ebenfalls als Zeitkarte. Also alles paletti. Ich übe mit Bonsai viel und nach einiger Zeit empfindet er den ÖPNV als Safe-Space. Schließlich ist es ruhig, warm und man hat ein Dach über den Kopf.

Bonsais erste Bahn-Fahrt
08-2023 -- Ein Blick über den Tellerrand
Mein Bachelor-Studium war in Mannheim, weswegen ich bis heute dort viele Freunde habe. Die Reise allein dauert schon ordentlich Zeit und man will ja auch noch Zeit vor Ort haben. Daher die einfache Idee: ich nehme Bonsai einfach mit.
Doch der VRN zeigt sich nicht so fortschrittlich.
Für einen Hund ist eine Zeitkarte zu lösen. Ebenso ist eine Jahreskarte Hund verfügbar.
Diese Jahreskarte kostet zu dem Zeitpunkt knapp unter 800€/Jahr. Ich bin ein wenig entsetzt, kaufe mir eine Einzelfahrkarte für etwa 9€/Strecke und genieße meinen Tag in Mannheim. Der Döner und die Kneipe zusammen waren zwar günstiger als die 18€, aber ich wusste ja, dass mit dem Hund Kosten auf mich zu kommen werden.
Mein erster Kontakt mit dem Kundendienst des VRN. Er ist höflich, aber bestimmt. Es ist zwar möglich Hunde in einer Box kostenfrei zu transportieren, aber da ich ja dank mangelndem Bus mindestens 30 Minuten zur Bahn laufen muss, mich in der Stadt bewegen will und dann wieder zurückmuss, ist das nicht praktikabel. Ich lerne ebenfalls, dass es sich bei den 800€ um die Kosten des ehemaligen Kindertickets im VRN handelt (also 50% des Erwachsenentarifs). Das ist zwar in sich schlüssig, aber nicht insgesamt.
Bonsais gewöhnt sich an den ÖPNV
09-2023 -- Wie ist das eigentlich sonst so?
Bisher weiß ich nur, dass ich in Karlsruhe und Stuttgart kostenlos mit Bonsai fahren darf und er in Mannheim sehr viel Geld kostet. Ich beginne mit meinem ersten Projekt, einer Übersichtskarte über Hunde in deutschen Verkehrsverbünden.
Wer aus Berlin kommt, mag das nicht für eine große Aufgabe halten, schließlich gibt es für zwei Bundesländer (Berlin und Brandenburg) nur einen Verkehrsverbund, die VBB. In den anderen Teilen der Republik sieht das anders aus. Allein in Baden-Württemberg gibt es etwa 20 Verbünde, die mehr an Fürstentümer, als an flächigen Transport erinnern.
Meine erste Erkenntnis: Es gibt einige Regionen, in der Hunde kostenlos unterwegs sind, einige, wo diese sehr günstig sind (z.B. Dresden für 10€/Monat) und einige, die extrem teuer sind.

Die erste Karte
10-2023 - 02-2024 -- Das Semester
Während des Semesters bin ich weitgehend ausgelastet und so geht es kaum vorran. Nach Feedback auf reddit und mastodon entschließe ich mich ebenfalls Fahrrad-Daten hinzuzufügen, da hier keine gute Übersichtskarte zu existieren scheint.
Eine weitere Schleife mit dem VRN bzgl. der Mitnahme von Hunden via dem Kundendienst läuft ins Leere.
06-2024 -- Die Dänemarkreise
Aus privaten Gründen reise ich Ende Juni 2024 nach Kopenhagen. Hier muss für Bonsai eine Fahrkarte gelöst werden, die genauso teuer ist, wie meine eigene. Zwar darf er keinen Platz beanspruchen, muss im Zweifel zuerst aussteigen etc. Aber immerhin können wir reisen.
Dank der neuen DB-APP ist es sogar möglich Hunde-Tickets zu kaufen. Diese sind halbwegs günstig, sind aber vor allem flexibel und stellen eine faire Lösung für den Fernverkehr dar.
Nach einem tollen Kurzurlaub entscheiden wir uns mit der Fähre über Gedser nach Rostock zu fahren. Eine rumpelige Busfahrt später sind wir an der Fähre und (neben einer Familie) die einzigen Gäste zu Fuß. Doch auf dem Schiff stellt sich die Lage anders dar. Es gibt super viele Hunde, einen eigenen Bereich für diese und einen guten Service rundrum.
Auf dieser Schiffsfahrt trifft mich der Aha-Moment: Alle Hundehalter:innen fahren Auto. Punkt. Warum auch nicht? Der Aufwand, der Stress, die Ticketsuche. All das fällt weg, wenn man einfach sein eigenes Auto nimmt. Auch werden Wartezeiten kürzer, man kann mal eben in den Supermarkt huschen und all das ohne einen Plan machen zu müssen.
Viele dieser Faktoren sind nur schwer veränderbar, außer einem: der Preis.

Reisen mit Hund im ÖPNV sind gemächlich
Ich entschließe mich meine Master-Thesis der Frage zu widmen, wie ein Hund die Mobilität des:der Besitzer:in beeinflusst.
09-2024 -- Ich rege mich auf
Durch das Hören des Podcast der RNV, springt bei mir der Funke über. Es sind zwar super symphatische Menschen in diesem und dem Dachverband aktiv, aber es wird die ganze Zeit alles so dargestellt, als ob alles Perfekt sei - und das ist es definitiv nicht.
An einem verregneten Samstag Vormittag nehme ich daher Kontakt zum Mannheimer Morgen auf. Ein sehr sympathischer Redakteur, Steffen Mack, antwortet. Er ist selbst Hundebesitzer und sei kaum auf die Idee gekommen einen Hund mitzunehmen, es sei ja so kompliziert.
Nach einem längeren Gespräch plant er einen Artikel in der Regionalzeitung. Vor allem der Kommentar der Pressestelle, dass das Ticket ja irrelevant sei, da nur wenige Tickets (<30) davon im vergangenen Jahr verkauft wurden, regt mich auf. Es stellt sich die Frage nach dem Henne-Ei-Problem.
10-2024 -- Es geht los!
Seitennotiz: Ich rege mich weiter auf. Ich lerne, dass Hunde prinzipiell nicht im Ruftaxis (der "attraktiven Alternative" zum Linienverkehr) mitgenommen werden dürfen. Weiterhin gibt es Einschränkungen für das FIPS, die allerdings Aufgrund der Beengung in den Fahrzeugen gut begründet sind. Als Mensch, der inzwischen in Leimen bei Heidelberg lebt und vom ÖPNV abhängig ist, überlege ich mir ernsthaft ein Auto zu kaufen. Ohne Fahrrad bin ich hier völlig aufgeschmissen.
Am 17. Oktober erscheint der Artikel im Mannheimer Morgen (Archiv) zusammen mit einem Kommentar (Archiv)
Daraufhin passieren einige Dinge. Es gibt viel Feedback von Bürger:innen, die ebenfalls unzufrieden damit sind.
Am 22. Oktober plant die LTK-Fraktion im Mannheimer Gemeinderat einen Antrag auf kostenlose Mitnahme im ÖPNV für den gesamten VRN-Gebiet.
Am 28. Oktober berichtet die Rheipfalz.
11-2024 -- Das Fernsehen kommt dazu
Am 07. November drehe ich einen kleinen Beitrag (Archiv) mit Ron TV, der Regional-Sparte von RTL. Bonsai wird endlich Fernseh-Star!
Am 07.11 berichtet Merkur.de.
Am 12. November berichtet Ludwigshafen24.de, mannheim24.de und heidelberg24.de
Am 12. November tagt der Haupt-Ausschuss der Stadt Mannheim. Dort wird der Antrag der LTK-Fraktion verlesen und mit falschen Tatsachenbehauptungen des Mannheimer Oberbürgermeister Specht kommentiert. So wird dargestellt, dass kleine Hunde ja kostenlos seien, obwohl dem nicht so ist. Der Antrag wird nicht abgestimmt.
Am 14. November berichtet der Mannheimer Morgen über die Gemeinderatssitzung.
11-2024 -- Presse macht Mediendinge
Viele Artikel behaupten die ganze Zeit, dass Hunde im VRN am teuersten sind, obwohl ich das nie behauptet habe. Ich mache mich nun an die Mission herauszufinden, welche Kosten ein Hund konkret verursacht.
Das ist gar nicht so leicht zu bestimmen. Meine Anforderung ist daher folgende: Ein Hund muss zeit-souverän mitgenommen werden können, ohne einen extra Fahrschein zu kaufen. Zur Vergleichbarkeit schaue ich mir dabei die Kosten pro Jahr und nicht pro Monat an; schließlich gibt es häufig Rabatt auf Jahreskarten und ich möchte die Verkehrsverbünde nicht falsch darstellen.
Nach vielen Stunden voller Tränen und durchgelesenen Tarifbedingungen veröffentliche ich am 19. November unter der Domain hundeticket.de die aktualisierte Übersichtskarte mit Preisen. Da sich der Fokus nun ausschließlich um Hunde drehen soll, entferne ich die Übersicht für Fahrräder.
Ich stelle dabei fest, dass einige Verbünde (z.B. der MDV) mit aktuell 4245.6€/Jahr deutlich teurer sind als der VRN. Dennoch haben diese das teuerste dezidierte Hunde-Ticket.

Die überarbeitete Karte mit Preisen
Währenddessen stelle ich einige Presseanfragen und finde auch günstigere Tickets für die Verbünde. So korrigiert mich beispielsweise der RVF, dass ebenfalls eine RegioKarte Kind zur Mitnahme verwendet werden kann. Ebenfalls korrigiert mich der Verkehrsbund aus Calw.
Andere Verkehrsverbünde (z.B. KVSH) bieten keine Zeitkarte an. In Zeiten des Deutschlandtickets halte ich das für nicht vertretbar. Auf Nachfrage wird auf attraktive Einzelfahrt-Lösungen (KolibriKard) hingewiesen, die sogar eine Grundgebühr haben. Einzelfahrt geht also auch in noch unflexibler, dafür etwas günstiger, da 15% Rabatt auf die einzelne Fahrt gewährt werden. Es wird darauf verwiesen, dass diese innovative Lösung sich seit 2006 bewährt. Da war ich noch nicht mal in der Grundschule.
Am 21. November entschließe ich mich diese Zusammenfassung zusammenzuschreiben.
Am 24. November überarbeite ich die Karte stark und füge mehrere neue Verbünde hinzu und versuche allgemein die Veränderungen der letzten Jahre mitaufzunehmen. Nebenbei verzweifel ich an QGis.

Es gibt kaum noch weiße Flecken
01-2025 -- Frohes neues
Zunächst das positive. Zum 1.1. werden etliche Verkehrsverbünde liquidiert und zusammengefasst. Vor allem in Bayern wachsen die bisherigen Verkehrsverbünde und der Verkehrsverbund Mittelfranken entsteht.
Die meisten Verkehrsverbünde erhöhen ihre Preise weiter. Der VRN bspw. geht von 804 auf 860.3€. Ein Plus von 7% und ungefähr so viel, wie das Deutschlandticket teurer wird. Der Mannheimer Morgen berichtet (Archiv). Im Artikel wird auch mein Projekt erwähnt.
Gegen Ende Januar schließe ich meine Master-Thesis ab. Dort komme ich unter anderem zu der Erkenntnis, das BW, SH, sowie die meisten Ost-Bundesländer schrecklich sind, was ÖPNV angeht.
Am 28. Januar meldet sich die FDP Mannheim bei mir. Sie möchten einen Antrag zu dem Thema in den Mannheimer Gemeindrat einreichen. Die Sitzung ist Anfang Februar.
Ich beginne ebenfalls mich an den Heidelberger Gemeinderat zu wenden.
02-2025 -- Bundestagswahl
Die Bundestagswahl sorgt für ein allgemeines Lähmen des Fortschritts. Dennoch bringt die Mannheimer FDP-Fraktion eine Anfrage (Archiv) in den Gemeinderat ein.
Ich kaufe mir zerknirscht ein Lastenrad, um nicht mehr so abhängig vom ÖPNV im VRN zu sein.
Am 15. Februar berichtet die Rhein-Neckar-Zeitung.
08-2025 -- Sommerpause
Es ist nun etwas Zeit verstrichen seit meinen letzten Beiträgen. Die Master-Thesis ist verteidigt und mein normales Leben beim Baden-Württemberg Institut für nachhaltige Mobilität hat wieder begonnen.
Im Zuge dessen bin ich wieder aus dem Kreis Heidelberg in den Kreis Karlsruhe gezogen und damit aus dem VRN in den KVV. Plötzlich ist das Leben leichter.
Bonsai und ich fahren fast jeden Tag zur Arbeit und das mit dem Zug, einfach, weil es geht. Es ist so eine Entlastung dieses Thema nicht mehr weiter die ganze Zeit um mich zu haben.
In der Zwischenzeit ist aber doch einiges passiert. Zunächst das positive. - Nach einer Anfrage an das Landesverkehrsministerium wurde mir von Staatssekretärin Zimmer zugesichert, dass dieses Thema auf dem Schirm sei und bei der nächsten Tarifharmonisierung bedacht werde. - Im VRN wurde ebenfalls im Heidelberger Gemeinderat diskutiert, allerdings ohne Ergebnis.
Über TikTok wurden mir Anfang August nun einige Videos angzeigt von Verkehrsverbünden, die zum 1.8. Tarife erhöht haben. Meines Empfinden nach ist das etwas ungewöhnlich, da ja die meisten Verbünde eher zum 1.1 erhöhen. Anlass genug mal wieder die Website zu aktualisieren. Ergebnis: 12 Verbünde haben die Tarife erhöht. Vor allem wieder in Ostdeutschland sind die Preise enorm nach oben gegangen - Teils um mehrere hundert Euro pro Jahr. Wer jetzt im VMT einen Hund dauerhaft mitnehmen will ist fast schon bei dem Preis einer BahnCard 100. Was ich immer als Scherz gemeint habe, wird nun wohl Realität.
Ein Post von mir auf LinkedIn erfreut sich erstaunlich großer Resonanz.